Gewitterfotografie – Für
Anfänger
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Böenfront über Metzingen |
Im Grunde ist es kein Hexenwerk, eher wie Lotto mit
einer höheren Chance
1. Selbstschutz – oberste Priorität
Sucht euch den passenden Standort. Ich kenne in meiner Region fast jeden
Feldweg und Baum. Fahrt mit offenen Augen umher und ihr entdeckt jedes Mal eine
neue Location.
Habt ihr diese gefunden, dann achtet unbedingt auf den Selbstschutz!
Stromleitung in der Nähe? Ein See? Ein Baum? Seid ihr der höchste Punkt in der Landschaft?
All das müsst ihr berücksichtigen, da die Natur und gerade Unwetter
unberechenbar sind. Im Zweifel setzt ihr Euch in den Kofferraum und
fotografiert aus diesem. Ach ja, und am besten ihr nehmt nicht euer neuestes
Auto, meins hat einige Erinnerungen vom Hagel.
Blitze fotografiere ich gerne aus
einem Parkhaus, falls ihr in einer größeren Stadt wohnt. Dort ist man am
sichersten und auch vor dem Regen und evtl. Hagel am besten geschützt.
Um die
besten Motive zu bekommen, mit ansprechenden Vordergründen etc. kann es auch
sein, etwas wandern zu müssen. Gerade hier auf der Alb sind die besten Spots
nicht direkt mit dem Auto erreichbar und eine halbe Stunde Fußweg kann lange
sein.
Daher baumelt bei entsprechenden Lagen ein Kletterhelm an meinem
Rucksack. Warum? Nun, 2013 habe ich tennisballgroße Hagelkörner abbekommen und
selbst Körner mit 2-3 cm Durchmesser sind keine Seltenheit mehr und tun mächtig
weh
2. Equipment
Kommen wir zum Technischen Teil und was ich vor Ort
mache.
Gerade bei der Wetterfotografie platzt mein Rucksack
oder Kofferraum. Regenjacke, Trinkflasche, Sitzkissen, Helm (ja Helm, bei Hagel
sehr wichtig), Taschenlampe etc. Wenn ich mein komplettes Equipment zusammen packe
sind 25-30 Kilo durchaus drin.
Spiegelreflex und Systemkameras haben Wechselobjektive,
quasi für jede Situation ein anderes. Meine Hauptkameras sind momentan die
Canon 77D und die Sony A6300. Als Backup bzw. als Nebenkameras nutze ich noch
die Sony A600 sowie eine Bridgekamera, die Panasonic Lumix FZ300
Wenn ich zu meinem Spot laufen muss, sind mindestens
3 Kameras dabei, aber immer die Lumix.
Was macht die Lumix, als Bridgekamera denn so großartig?
Nun, einerseits der Preis und eine nette Funktion. Zeitraffer bzw. Timelaps. Ich
richte die Kamera auf das heranziehende Gewitter aus und stelle 1000 Bilder a 1
Bild alle 2 Sekunden (als Beispiel) ein und danach setzt die Kamera die Bilder
als Zeitraffervideo zusammen. Feine Sache finde ich und eine SD-Karte mit 256
GB ist mittlerweile auch erschwinglich. (siehe dieses Video auf Youtube )
Für die Sony Kameras aus der A6xxx Reihe habe ich
immer das Samyang 12mm sowie das Standartobjektiv 18-55mm dabei. Meiste steht
das Weitwinkel bodennahe auf einem Stativ zwecks des Motivs.
Die Canon ist meistens mit dem Tamron 18-200mm
ausgerüstet, wobei ein Weitwinkel von Sigma 10-20mm noch dabei ist und meist in
der Hand. Stellt Euch einfach zwei Kameras auf dem Stativ vor und dazwischen
renn ich rum und mache Bilder mit der dritten Kamera. Oder halt nein, stellt es
euch nicht vor, macht es einfach selbst
3. Tageszeit – Vom Stormchasing
und Chillen in der Nacht
3.1 Tagsüber =
Stormchasing
Es gibt jetzt noch mehrere Faktoren. Welche Tageszeit?
Tagsüber fokussiere ich mich eher auf Wolken. Wenn sich
Quellwolken ballen oder eine Shelfcloud sich bildet, gigantisch.
Hier helfen mir Grauverlaufsfilter vor den Objektiven
die extremen Helligkeitsunterschiede zwischen Himmel Wolke und Boden
auszugleichen.
Die hohe Kunst ist es jetzt mit dem Gewitter zu
reisen. Meistens haben wir hier in der Region Westwetter, also in meinem Fall
zieht eine Front die Alb entlang von West nach Ost. Sprich das Wetter kommt vom
Schwarzwald, den Albtrauf entlang Richtung Ulm.
Also plane ich meine Route, dass ich vor dem Wetter
bin. Das bedeutet aber auch, Wetterkarten zu lesen und wie die Zugbahn sein
könnte. Meistens mache ich das 24-12 Stunden vorher und dann aktuell während
der Fahrt (meistens ist meine Frau dabei die dann den Job übernimmt)
Anhand von diesen die Route großräumig planen und oh,
die Standorte nicht vergessen. Autobahn ist die schnellste Möglichkeit von A
nach B aber doof zum Halten. Meistens reise ich über die Autobahn und bevorzuge
dann aber Bundesstraßen oder die Gourmethappen Land und Kreisstraßen. Da ist
meistens alle 100 Meter ein Feldweg, klasse. Irgendwann ist der Punkt erreicht,
wo man stoppt. Zu weit von daheim weg, das Gewitter kommt immer näher. Da bietet
sich jetzt eine Tankstelle oder Parkhaus an, das Gewitter über sich hinweg
rollen zu lassen. Lieber 5€ Parkgebühr und Kaffee an der Tanke als Hagelschaden
am KFZ. Außerdem kommt nach Regen immer Sonnenschein und eine Front von hinten
ist auch nett anzusehen. Vor dem
Gewitter ist Premium, im Gewitter ist ganz schlecht und Gewitter von hinten ist
ein schöner Abschluss vom Tag. Und dann kommt die Nacht…
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Superzelle am Albtrauf bei Neuffen |
3.2 Nachts = Chillen
…und wir gehen schlafen und verpassen das Beste.
Kaffee
und Energydrinks sind treue Begleiter, wenn nach einem Tag „Stormchasing“
Petrus uns nachts noch verwöhnen möchte. Da wir aber ganz schön geschafft sind,
vom Kilometerfressen am Tag, chillen wir heimatnah. Das kann der Feldweg hinter
dem Haus sein, der Weinberg oder sonst ein nettes Fleckchen.
Meistens sitze ich
dann auf einer Wiese zwei Kameras neben mir und genieße die Show am Himmel. Dabei
ist es fast egal ob das Gewitter mehrere Kilometer entfernt ist, hier geht es
um die Blitze und die sieht man Kilometerweit.
Ich habe zum Beispiel aus dem
Metzinger Weinberg das Wetterleuchten eines Gewitters bei Straßburg
fotografiert. (Bild auf Flickr )
Ich fokussiere manuell auf den entferntesten Punkt, mache meine
Blende auf, Iso 100 und nutze den Selbstauslöser 10 Sec 10 Bilder a 20 Sekunden
(auch hier wieder nur als Beispiel) und das wars. Den Rest erledigt Petrus und
die Kameras. Ihr lest, tagsüber ist das teilweise „stressig“ (Stau,
Gewitterzugbahn, wohin fahren, wo parken) und nachts ein Genuss
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Gewitter Bad Urach, Nachts gegen 23 Uhr |
4. Nachbearbeitung
Landschaftsaufnahmen, gerade in der Nacht bedeuten
immer eine sehr aufwendige Nachbearbeitung. Ich nutze dafür Lightroom und
Photoshop CC sowie die NiK Collection. Aber auch schon während der Aufnahme
achte ich auf die Einstellungen der Kamera. ISO, Blende, Belichtung, der
Winkel, all das sind Dinge, die der PC nachher nicht mehr ändern kann.
Zurück zu Hause sichtete ich die Bilder und
sortierte die besten mit Blitzen aus. Mittels Lightroom entwickelte ich die
einzelnen Bilder. Manchmal ertappe ich mich, dass ich Schummel und mit
Photoshop legte ich mehrere Bilder übereinander. Das nennt man Stacking und
wird häufig genutzt. Hier ist es aber wichtig, ein und dieselben Aufnahmen zu
verwenden. Somit bekommt ihr auf ein Bild, die Blitze von 20 Bildern als
Beispiel. Sieht zwar krass aus, aber hat auch den faden Beigeschmack der Manipulation,
aber das ist eine andere Geschichte.
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Blitzschlag am Albtrauf, Nachmittags ca. 15 Uhr |
5. Warum??
Ich liebe Unwetter und Gewitter. Meine Inspiration ist
das Wetter, weil es für mich die Besten, ausdrucksvollsten und
abwechslungsreichsten Motive bietet. Diese Momente, die nur einen Bruchteil
einer Sekunde andauern für die Ewigkeit zu bannen, das treibt mich immer vor
die Türe. Meine Region, am Fuße der Schwäbischen Alb, bietet eine einmalige
Kulisse und zeigt mir jedes Mal, dass die Schönheit unmittelbar vor der
Haustüre liegt und man nicht immer tausende Kilometer reisen muss
Ich weiß, es ist jetzt nicht der perfekte Guide,
aber hey, ich bring mir das alles selbst bei und das Großartige an der
Fotografie ist: Du wirst mit jedem Bild besser. Ich stand am Anfang im Feld mit
einem Rucksack voller Post It, hatten eine halbe Bibliothek dabei und
verbrachte Nächte im Internet, um zu schauen, wie was geht. Heutzutage mit SD-Karten
jenseits der 64GB ist Try and Error die Beste Schule